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Was bei der US-Wahl auf dem Spiel steht


03.11.2024 - 05:18 Uhr


Amerika hat die Wahl: Donald Trump oder Kamala Harris. Die Entscheidung, ob der Republikaner oder Demokratin als Nächstes ins Oval Office im Weißen Haus einzieht, hat nicht nur große Bedeutung für das Land, sondern auch für die Welt. Und inmitten von Show und Folklore im US-Wahlkampf zwischen Fritten, Stars und kleinen Aufregern geht manchmal unter, was alles auf dem Spiel steht bei dieser Abstimmung: 

Die amerikanische Demokratie

2020 brachte Trump die Demokratie und das Verfassungsgefüge der USA an den Rand des Zusammenbruches. Nur knapp hielt das System damals stand, als der Republikaner das Ergebnis einer fairen und freien Wahl anzweifelte und mit aller Macht umzukehren versuchte. All das gipfelte in einer gewaltsamen Attacke von Trump-Anhängern auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 - ein beispielloser Angriff auf das Herzstück der amerikanischen Demokratie.

Auch diesmal streut Trump wieder ohne Belege Behauptungen, die Demokraten könnten ihm einen Sieg durch Betrug stehlen. Auch diesmal zeichnet sich ab, dass Trump eine mögliche Niederlage nicht akzeptieren dürfte und versuchen könnte, einen friedlichen Machtwechsel von Biden zu Harris zu verhindern. Und: In den vergangenen Jahren rückten Trump-Getreue auf viele unscheinbare Posten auf, die für die Zertifizierung der Wahlergebnisse aus den einzelnen Bundesstaaten bedeutsam sind. Sollte Trump erneut zum Widerstand gegen eine mögliche Wahlniederlage aufrufen, könnte das diesmal erfolgreicher ablaufen als damals. 

Und falls Trump gewinnen sollte? Er kokettiert damit, er wolle «Diktator nur an Tag eins» einer neuen Amtszeit sein. Tatsächlich könnten die USA unter ihm autokratische Züge bekommen. Trump hat im Wahlkampf vielfach damit gedroht, im Fall eines Wahlsieges gegen politische Gegner vorzugehen, Sonderermittler gegen sie einzusetzen, sie anzuklagen und gar ins Gefängnis zu bringen - etwa hochrangige Demokraten oder Journalisten. Medien bezeichnet er regelmäßig als «Feinde des Volkes» und will unliebsamen Sendern die Lizenz entziehen. Gerade erst provozierte er mit einer öffentlichen Gewaltfantasie über eine seiner größten parteiinternen Kritikerinnen. Und zuletzt sprach er sich sogar dafür aus, das Militär gegen «Feinde im Innern» einzusetzen - nämlich gegen «linksradikale Irre», und nannte als Beispiel prominente Demokraten.

Aus Sorge über die Äußerung zum Militäreinsatz im Inneren gab Trumps ehemaliger Stabschef John Kelly öffentlich preis, der Republikaner habe sich in seiner Amtszeit mehrfach positiv über Hitler geäußert und in einer Unterhaltung gesagt, er wünsche sich so loyale Militärs wie «Hitlers Generäle». Trumps Team wies die Darstellung vehement zurück. 

Der innere Frieden in den USA

Die politische Stimmung in den USA ist extrem angespannt. Diese Abstimmung ist die erste Präsidentschaftswahl seit den dramatischen Verwerfungen vor vier Jahren. Es gibt Befürchtungen und interne Warnungen der Sicherheitsbehörden, dass es wieder zu Gewalt kommen könnte: zu Unruhen, ausartenden Protesten und gezielten Störaktionen gewaltbereiter Extremisten. 

Eskaliert ist die Lage bereits: Mitte Juli schoss ein Mann bei einer Wahlkampfveranstaltung in Pennsylvania von einem nahegelegenen Dach auf Trump und verletzte den Republikaner am Ohr. Der Täter wurde von Sicherheitskräften erschossen, ein Besucher starb. Der Secret Service geht außerdem davon aus, kurze Zeit später ein weiteres Attentat auf Trump in Florida vereitelt zu haben. Das zeigt, wie brenzlig die Lage ist - in alle Richtungen. 

Trump selbst zündelt derweil weiter, warnt in gleicher Manier wie 2020 vor angeblichem Wahlbetrug und wiegelt seine Anhänger so seit Monaten auf. Im Frühling provozierte er mit Äußerungen bei einem Wahlkampfauftritt in Ohio. Der Ex-Präsident sprach darüber, wie er den Verkauf chinesischer Autos auf dem US-Markt erschweren wolle. Dann sagte Trump plötzlich: «Wenn ich nicht gewählt werde, wird es ein Blutbad geben.» 

Die Aufregung war groß. Trumps Team wiegelte ab und kritisierte, das Zitat sei aus dem Kontext gerissen. Das Muster ist nicht neu: eine gezielte Provokation Trumps, gefolgt von der Ansage aus seinem Umfeld, das alles sei nur ein Scherz gewesen oder ganz anders gemeint. In Umfragen äußerten zuletzt jedenfalls viele Amerikaner - insbesondere in den umkämpften Bundesstaaten - Sorge, dass es nach dem Wahltag politische Gewalt geben könnte.

Die Zukunft der Ukraine und die Sicherheit Europas

Auch international geht es um enorm viel. Trump kehrte während seiner Amtszeit vielen internationalen Verbündeten den Rücken, suchte die Nähe von Russlands Präsident Wladimir Putin und anderen Autokraten und drohte der Nato mit dem Austritt der USA. Der Republikaner tönt, er würde den Ukraine-Krieg noch vor seiner Vereidigung innerhalb von 24 Stunden beenden - auch dank seiner guten Kontakte zu Putin. Es lässt sich daher erahnen, dass die Ukraine bei einem Deal nach Trumps Vorstellung Teile seines Territoriums abtreten müsste. Gleichzeitig signalisiert Trump, dass er im Fall einer Wiederwahl die Unterstützung für Kiew dramatisch zurückfahren oder ganz einstellen würde - und er hat angedeutet, Putin in dessen Nachbarschaft freie Hand zu lassen. 

Im Wahlkampf sagte Trump, der «Präsident eines großen Landes» habe ihn mal gefragt, ob die USA dieses Land auch dann noch vor Russland beschützen würden, wenn es seine Verteidigungsausgaben nicht zahle. Er habe geantwortet: «Nein, ich würde Euch nicht beschützen.» Vielmehr noch: Er würde Russland «sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen». Ein Scherz? Aus dem Kontext gerissen? Jedenfalls haben solche Aussagen das Zeug dazu, dass einige in der Ukraine noch mehr um die Zukunft ihres Landes bangen und einige in Europa um die Sicherheit ihres Kontinents. Denn ohne die Hilfe der USA könnte sich kaum ein Land gegen einen mächtigen Gegner wie Russland wehren. 

Die Weltordnung

Sollten innenpolitisch die Grundfesten der amerikanischen Demokratie ins Wanken geraten, würde das die Stellung der USA in der Welt nachhaltig schädigen. Und sollte sich Amerika in einer zweiten Trump-Präsidentschaft außenpolitisch nicht mehr zur Verteidigung der Freiheit gegen Eroberungszüge wie jenen Russlands verpflichtet fühlen, dann könnte sich das auch Balance in der internationalen Ordnung auswirken. Wer würde das Vakuum füllen? Was wäre, wenn sich Putin tatsächlich von Trump ermutigt fühlte, anderswo einzumarschieren? Was, wenn andere dem Beispiel Moskaus folgen - wenn etwa China seine Drohungen wahr machen würde, sich Taiwan einzuverleiben? 

Trump war schon vier Jahre an der Macht, ohne dass die Demokratie in den USA und die Welt als Ganzes in den Abgrund stürzten. Doch seitdem ist viel passiert. Trump ist noch extremer geworden. Viele moderate Republikaner haben sich von ihm abgewandt. In einer weiteren Amtszeit hätte er wohl weit weniger mäßigende Kräfte um sich, sondern radikale Konservative, die ihn in extremen Positionen nur bestärken.

© dpa-infocom, dpa:241103-930-277438/1

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