«Sinneeeer, Sinneeeer» hallte durch die Arena. Einige Zuschauer hatten sich Karotten-Kostüme übergezogen, wie sie für die Fans des italienischen Tennisstars Jannik Sinner zum Markenzeichen geworden sind. Begeistert wurde die Nummer eins der Tenniswelt bei den ATP Finals vom heimischen Publikum empfangen. Die Autogrammjäger drängelten sich um ihn. Von der Doping-Affäre war rund um seinen souveränen Auftakterfolg beim Jahresabschluss der acht erfolgreichsten Tennisprofis der Saison in Turin fast nichts zu merken. «Du bist ein König», schwärmte die «Gazzetta dello Sport» sogleich auf ihrer Titelseite. Dabei war das ungefährdete 6:3, 6:4 gegen den Australier Alex de Minaur nur ein erster kleiner Schritt auf dem erhofften Weg des Vorjahresfinalisten zum ersten Triumph beim Jahresabschluss. «Wäre es in der Scala gewesen, dann hätte die Galerie aus ganzem Herzen applaudiert», dichtete die Zeitung in Anspielung an die Mailänder Scala weiter. Sie schrieb: «Jetzt kann Turin träumen: Das Spektakel hat gerade erst begonnen.» Vielleicht war die Euphorie auch deswegen so groß, weil es Sinners erster Auftritt in Italien in diesem Jahr war. Und damit auch seine erste Partie vor heimischem Publikum als Nummer eins der Welt und als zweimaliger Grand-Slam-Turniersieger. Aber es war eben auch der erste Auftritt des Südtirolers in der Heimat nach dem Beben in der Tenniswelt: das Beben als Folge zweier positiver Dopingtests mitsamt Freispruch kurz vor seinem US-Open-Triumph. Von den Ergebnissen her ist ihm die Affäre und der Wirbel weiter nicht anzumerken. Am Dienstag (20.30 Uhr/Sky) möchte der Topgesetzte bei den ATP Finals mit einem Sieg gegen seinen US-Open-Endspielgegner Taylor Fritz seine Favoritenrolle untermauern. Dabei schwebt die weiter drohende Sperre wie ein Damoklesschwert über ihm. Der Hintergrund: Sinner war im März zweimal positiv auf das verbotene anabole Steroid Clostebol getestet worden. Der Weltklassespieler durfte trotzdem weiter spielen, wenige Tage vor Start der US Open erhielt er dann Ende August den Freispruch durch die verantwortliche Tennis-Agentur Itia. Sinners Erläuterung, dass das verbotene Mittel durch eine Massage versehentlich in seinen Körper gekommen sei, wurde als schlüssig angesehen. Der Fall liegt mittlerweile beim Internationalen Sportgerichtshof Cas in Lausanne. Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada erhob Einspruch gegen den Freispruch. Sie fordert eine Sperre von ein bis zwei Jahre, worauf Sinner «sehr enttäuscht und auch überrascht» reagierte. Eine endgültige Entscheidung könnte erst nach den Australian Open im Januar fallen. Der Wirbel hat ihm nach Aussage seines Trainers auch gestärkt. «Nach alldem, was er durchgemacht hat, hat er verstanden, dass er im Leben alles überstehen kann. Nichts kann ihm mehr Angst machen», sagte Sinners Trainer Darren Cahill kurz vor dem Auftakt der ATP Finals im Interview der italienischen Tageszeitung «Corriere della Sera». Beim Eliteturnier der Herren-Profiorganisation ist Sinner das Zugpferd und der Topfavorit. Der Australian-Open-Champion spielt eine herausragende Saison, insbesondere bei den Hartplatz-Turnieren. Draußen vor der Halle hängen alle paar Meter Banner mit seinem Bild an den Straßenlaternen. Das Masters-1000-Event in Paris hatte er vor den ATP Finals erkrankt abgesagt. Doch die Gesundheit bereite ihm keine Sorgen mehr, berichtete Sinner. Sein unterlegener Auftaktgegner de Minaur fand keine Mittel, ihn ernsthaft zu gefährden. «Er spielt im Moment mit einem unglaublichen Selbstvertrauen und einer unglaublichen Konstanz», lobte der Weltranglisten-Neunte. Ob er sich nicht eine schnellere Entscheidung in Sinners Dopingfall schon vor den Australian Open wünschen würde und er überrascht sei, wie lange es sich zieht, wurde der Australier dann noch gefragt. «Um ehrlich zu sein, ich bin nur ein Tennisspieler. Ich habe keinerlei Einfluss auf diese Art von Entscheidungen. Ich bin sicher, dass alles passieren wird, wenn es passieren muss», antwortete der 25-Jährige. «Was Jannik angeht, kann ich nur sagen, was ich von ihm als Person weiß», so de Minaur. Auch wenn er ihm jetzt achtmal «in den Arsch getreten» habe, sei «er ein toller Kerl».Italienische Zeitung dichtet: Die Galerie hätte «aus ganzem Herzen applaudiert»
Warten auf eine Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofs
Unterlegener de Minaur mit Respekt: «ein toller Kerl»
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