Alexander Zverev knöpft sich noch eben sein Jackett zu, als er von der Rückbank seines Fahrdienstes aussteigt. Entspannt grinsend begegnet der deutsche Tennisstar dem Jubel und den Autogrammwünschen der am Museum in Turin wartenden Fans. Bei den am Sonntag beginnenden ATP Finals startet der Hamburger am Ende eines für ihn sehr komplizierten, anstrengenden Tennis-Jahres als ein Mitfavorit. Allen gesundheitlichen Problemen zum Trotz scheint für den 27-Jährigen beim ruhmreichen Turnier der acht besten Profis der Saison doch wieder alles möglich. «Hier weiß ich, wenn ich nicht vom ersten Punkt an mein bestes Tennis spiele, habe ich keine Chance zu gewinnen», sagte der Weltranglisten-Zweite, der schon in der Vorrunde auf seinen French-Open-Finalbezwinger Carlos Alcaraz treffen wird. «Das ist vielleicht eine Einstellung, die ich in die Grand Slams mitnehmen muss.» Für ihn sei der Start bei den ATP Finals etwas Besonderes. «Man spielt vom ersten Match an gegen einen der acht besten Spieler der Welt. Ich weiß, dass das ein großes Problem von mir ist. Bei anderen Turnieren», sagte Zverev. Er erinnerte daran, dass er bei den Grand Slams oft gegen die Besten scheiterte, weil er in den Runden zuvor zu viel Kraft ließ. Und trotz des exklusiven Teilnehmerfeldes in Turin nun alles möglich sei, weil es ihn besonders motiviere. Die ATP Finals beginnen mit im Tennis ungewohnten Gruppenspielen. Maximal fünf Matches verbleiben dem Beinahe-US-Open-Gewinner von 2020 in diesem Jahr. Drei Vorrundenpartien, ein mögliches Halbfinale und Finale. Zverev wird noch einmal alle Kräfte bündeln müssen. Kräfte, die ihm in den vergangenen Monaten schon auszugehen schienen. Erst bremste ihn in Wimbledon eine Knieverletzung. Dann schleppte sich die deutsche Nummer eins angeschlagen und seltsam kraftlos mit Leistungseinbrüchen, Fieber und Husten durch den Sommer und Spätsommer. Olympia endete ebenso mit einem enttäuschenden Viertelfinal-Aus wie die US Open. Erst Ende September wurde eine Lungenentzündung bekannt. Statt die Saison abzubrechen und sich auf 2025 und die erneute Jagd nach dem ersten Grand-Slam-Titel zu konzentrieren, spielte er weiter. Und fand «kurz vor den ATP Finals in Turin zu seiner Bestform» zurück, wie Tennisikone Boris Becker anmerkte. Zverev gewann insgesamt in der Saison mehr Matches als jeder andere (66), kletterte zurück auf Weltranglistenplatz zwei. Sein Masters-1000-Titel in Paris am vergangenen Sonntag imponierte. Es war ein Achtungszeichen an die Konkurrenz, die nun aber stärker sein dürfte. «Ich war mit dem Niveau in Paris sehr zufrieden. Natürlich ist es wichtig, mit einem Titel hierherzukommen», sagte Zverev. Er freue sich auf die nun schwere Herausforderung. «Jeder, der hier ist, hat eine Chance zu gewinnen». Zweimal hat Zverev das Jahresendturnier schon gewonnen. 2018 in London nach einem Halbfinalsieg über Roger Federer und einem Endspielerfolg gegen Novak Djokovic. Und 2021 in Turin. Damals triumphierte er im Finale gegen Daniil Medwedew - im Halbfinale hatte er Djokovic besiegt. Diesmal wird erstmals seit 23 Jahren keiner der großen Drei dabei sein. Dass neben Federer, der längst zurückgetreten ist, und neben Fast-Tennis-Rentner Rafael Nadal auch Djokovic fehlt, dokumentiert einmal mehr das näher rückende Ende einer Ära. Zwar qualifizierte sich Djokovic, der Rekord-Grand-Slam-Sieger verzichtet aber. «Es fühlt sich anders an», sagte Zverev. Die Protagonisten sind nun der Weltranglisten-Erste Jannik Sinner, auf den Zverev frühestens im Halbfinale treffen kann, und Alcaraz (3.). «Sie haben dieses Jahr beide zwei Grand Slams gewonnen. Sie sind mit Sicherheit die beiden besten Spieler der Welt. Man muss sie schlagen, um das Turnier zu gewinnen», so Zverev: «Ich denke, das wird auch hier der Fall sein.» Zverev startet am Montagabend (20.30 Uhr/Sky) zunächst gegen den heißblütigen Außenseiter Andrej Rubljow. Die weiteren Vorrundengegner am Mittwoch und Freitag werden Alcaraz und Casper Ruud sein. «Ich bin gespannt, was die nächste Woche bringt», sagte Zverev. Seine Saison soll mit dem Endspiel am 17. November enden.«Ein großes Problem» - bei anderen Turnieren
Zverev tritt gestärkt vom Titel in Paris an
Ära der «Big Three» endet
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