Alle wollen es werden, keiner will es sein: alt. Der Spruch ist vielleicht übertrieben, deutet aber auf ein zunehmendes Problem in der Gesellschaft hin - auch in Rheinland-Pfalz: auf Angst vor Armut und Einsamkeit im Alter. «Wir dachten: alte Menschen, dafür interessiert sich keiner», sagt Griseldis Ellis. «Aber die Resonanz ist überwältigend. Die Menschen sind viel offener, empathischer und interessierter, als man ihnen oft zugesteht.»
Ellis muss es wissen. Mit ihrer Frau Christine Kienhöfer leitet sie seit 2021 in Rheinland-Pfalz das Projekt «Silbertaler» gegen Altersarmut. «Begonnen haben wir im Wohnzimmer in Speyer.» Heute betreibt die Beyond Unisus Stiftung unweit des Doms ein Büro, in dem derzeit jede Woche 45 Lebensmittelboxen gepackt werden. Frisches Obst, Gemüse und andere Grundnahrungsmittel werden zu Senioren gefahren, die noch zu Hause leben können.
Eine von ihnen ist Heidrun Koegler. «Sie verwöhnen mich so sehr», ruft die 81-Jährige schon im Treppenhaus Doris Walch zu, die das Essen bringt. «Ich bin früh sehr krank geworden und konnte nicht mehr voll arbeiten», erzählt Koegler. «Jetzt habe ich eine Minirente, und Frau Walsch und Silbertaler retten mich jede Woche. So kann ich mich versorgen und muss nicht ins Altersheim.» Das ist den Senioren besonders wichtig: in der eigenen Wohnung bleiben, solange es geht.
Bedächtig räumen Koegler und Walch den Kühlschrank ein. «Es ist nicht nur das Essen», sagt die Rentnerin. «Der Kontakt mit Silbertaler, der Besuch von Frau Walsch: das sind in gewisser Weise auch Lebensmittel. Durch sie bekomme ich Mut und Kraft.» Viele Senioren würden sich schämen, Altersarmut zuzugeben, sagt Koegler. «Da will ich ermutigen, sich zu überwinden und etwas zu sagen.»
Die Altersarmut in Rheinland-Pfalz habe einen neuen Höchststand erreicht, hatte der Vorsitzende der Senioren-Union Rheinland-Pfalz, Karl-Heinz Totz, anlässlich der Veröffentlichung des Neunten Altersberichts zur Lage der älteren Generation mitgeteilt. «Aktuell ist jeder fünfte Rentner in Rheinland-Pfalz von Altersarmut bedroht und damit weit mehr als im Bundesdurchschnitt.»
Die Armutsgefährdung der 65-Jährigen und Älteren im Bundesland liege dem Bericht zufolge bei 20,2 Prozent. «Rheinland-pfälzische Frauen sind mit 23,2 Prozent deutlich stärker von Armut bedroht als gleichaltrige Männer mit 16,6 Prozent», informiert die Senioren-Union.
Griseldis Ellis sitzt an diesem Tag im Büro in Speyer. Sie weiß noch, wie das mit «Silbertaler» anfing. «Wir haben in der Stadt einen Weihnachtswunschbaum eines Altersheims in Speyer gesehen, an dem bescheidene Wünsche hingen: Plätzchen, ein Rätselheft, eine Tüte Chips, ein Schal. Da ist kein Geld für die kleinen Freuden des Lebens, mal zum Friseur gehen oder neue Kleider.» Christine Kienhöfer nickt. «Wir sind dann einfach aktiv geworden. Auch, weil es einem selbst im Leben gut gegangen ist.»
Die Frauen sammelten zunächst Sachspenden und erkannten bald, dass der Bedarf größer ist als gedacht. Aus der Nachbarschaftsgruppe wurde so das Projekt «Silbertaler». Ellis und Kienhöfer gründeten die Organisation, leisteten die Anschubfinanzierung und fanden eine Projektleiterin und ehrenamtliche Helfer, um das Tagesgeschäft zu unterstützen. Die Stadt Speyer half, Kontakt zu Bedürftigen herzustellen.
Die Stiftung finanziert sich nach eigenen Angaben mit Spenden und erhält Unterstützung von lokalen Unternehmen und Privatpersonen. Es gibt auch Kooperationen mit anderen gemeinnützigen Organisationen. «Gerne wären wir ein Modellprojekt, das in anderen Städten nachgeahmt werden kann», sagt Ellis. «Unsere Erfahrung und Infrastruktur kann helfen, ähnliche Projekte anderswo in Deutschland zu starten und damit flächendeckend Hilfe anzubieten.»
In Speyer betreut «Silbertaler» aktuell 145 bis 150 Menschen, die meisten davon Frauen und viele in Pflegeheimen. «Der Bedarf an Unterstützung ist viel größer als unsere momentane Kapazität», sagt Kienhöfer. «Allein in Speyer gibt es fast 500 Grundsicherungsempfängerinnen und mehr als 2.000 Menschen, die von Altersarmut betroffen sind. Durch Aktionen versuchen wir laufend, uns für diese Menschen sichtbarer zu machen und unser Angebot aufzustocken.»
Es bleibt nicht bei Lebensmittelboxen. «Silbertaler» hilft auch bei Behördengängen, organisiert schon mal Handwerker und häufiger neue Waschmaschinen und Küchengeräte. «Bei einem Umzug unterstützen wir beim Aussortieren persönlicher Gegenstände. Das sind Grenzfälle», schildert Ellis. Was wünscht sie sich? «Es wäre toll, wenn wir alle mehr Achtsamkeit zeigen und jeder nach seinen Möglichkeiten unterstützt, wo es gebraucht wird.»
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