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Showdown im Bundestag zu Migration - Votum über Unionspläne


29.01.2025 - 04:04 Uhr


Eine Woche nach dem Messerangriff von Aschaffenburg mit zwei Toten stehen heute im Bundestag (ab 14.15 Uhr) harte Debatten und Abstimmungen über eine verschärfte Migrationspolitik an. Die Union will zwei Anträge zur namentlichen Abstimmung stellen. Zuvor will Kanzler Olaf Scholz (SPD) eine Regierungserklärung abgeben. SPD und Grüne warnten die Union und deren Kanzlerkandidat eindringlich davor, mit der AfD gemeinsame Sache zu machen. Diese hatte angekündigt, den Anträgen und auch einem Gesetzentwurf, der am Freitag zur Abstimmung steht, zuzustimmen. 

Was war der Auslöser für die neue Migrationsdebatte? 

Ein offenbar psychisch kranker Mann aus Afghanistan hatte am Mittwoch vergangener Woche einen zweijährigen Jungen mit marokkanischen Wurzeln aus einer Kindergartengruppe mit einem Messer getötet. Ein 41 Jahre alter Familienvater, der sich zwischen Angreifer und Kinder stellte, starb ebenfalls. Weitere Menschen wurden schwer verletzt, darunter ein zwei Jahre altes Mädchen syrischer Abstammung. Der 28 Jahre alte Angreifer war ausreisepflichtig, er befindet sich in einer psychiatrischen Einrichtung. Der Tat ging eine Reihe anderer Attacken voraus, bei denen ebenfalls Ausländer unter Tatverdacht stehen.

Worüber genau soll im Bundestag abgestimmt werden? 

Ein Antrag dreht sich um den von Unionsfraktionschef Friedrich Merz vorgelegten Fünf-Punkte-Plan. Gefordert werden dauerhafte Grenzkontrollen zu allen Nachbarländern, ein Einreiseverbot für alle Menschen ohne gültige Einreisedokumente, auch wenn sie ein Schutzgesuch äußern. Ausreisepflichtige sollen inhaftiert werden und Abschiebungen müssten täglich erfolgen. Der Bund soll die Länder beim Vollzug der Ausreisepflicht unterstützen - es sollen Bundesausreisezentren geschaffen werden. Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sollen in einem unbefristeten Ausreisearrest bleiben, bis sie freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren oder die Abschiebung vollzogen werden kann.

Der zweite Antrag trägt den Titel «Für einen Politikwechsel bei der Inneren Sicherheit». Die Unionsfraktion listet hier 27 Punkte auf, etwa Mindestspeicherfristen für IP-Adressen, mehr technische Befugnisse für Ermittler etwa zur elektronischen Gesichtserkennung, einen verbesserten Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden, eine Stärkung der Nachrichtendienste sowie härtere Strafen für Angriffe auf Polizisten, Rettungskräfte und Helfer. 

Schließlich steht am Freitag das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz der Unionsfraktion zur finalen Abstimmung. Die Neuregelung soll unter anderem den Familiennachzug zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus beenden. Die Bundespolizei soll, wenn sie in ihrem Zuständigkeitsbereich Ausreisepflichtige antrifft, aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchführen dürfen. 

Wie stehen die Chancen bei den Abstimmungen? 

Sollte es bei CDU/CSU, FDP, AfD und BSW am Ende keine Abgeordneten geben, die sich enthalten, dagegen stimmen oder nicht anwesend sind, käme man bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf zusammen auf 372 Stimmen. Der Bundestag hat aktuell 733 Abgeordnete. Es würde also reichen. Sollten nicht alle Abgeordneten dieser Parteien mit Ja stimmen, käme es womöglich auf das Abstimmungsverhalten der neun Fraktionslosen an. Die meisten von ihnen gehörten früher der AfD-Fraktion an. 

SPD, Grüne und Linke tragen keines der drei Vorhaben mit. Die AfD hingegen will ihnen zustimmen, trotz kritischer AfD-Passagen in den beiden Anträgen. 

Am einfachsten könnte es für den Gesetzentwurf am Freitag werden. Diesem wollen neben Union auch AfD, FDP und BSW zustimmen. 

Den Fünf-Punkte-Plan wollen AfD und FDP mittragen. Von BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht hieß es gestern hingegen, sie würde nach aktuellem Stand «nicht von einer Zustimmung ausgehen» - dies sei aber noch offen, ergänzte eine Parteisprecherin. Der zweite Antrag zur Sicherheitspolitik findet zwar Zustimmung bei Union und AfD, nicht aber von FDP und BSW. 

Dringende Warnungen von Scholz und Habeck 

Auch wenn die Anträge am Mittwoch durchkämen, hätten sie nur appellatorischen Charakter. Kanzler Scholz sagte gestern Abend bei einer Wahlkampfveranstaltung in Berlin, sie würden «erstmal gar nichts bewirken». Umso mehr sei es «empörend», dass die Union entgegen früherer Aussagen in Kauf nehme, dass eine Mehrheit nur mit Stimmen der AfD zustande komme, sagte der SPD-Kanzlerkandidat. Scholz warnte zugleich vor einer schwarz-blauen Mehrheit im Bundestag nach der Wahl. 

SPD-Chef Lars Klingbeil sagte in der ZDF-Sendung «Wie geht's, Deutschland?», er sei «bestürzt», dass wahrscheinlich erstmals in der Geschichte des Landes Union und AfD gemeinsame Sache im Parlament machen. «Das wird unser Land verändern», sagte Klingbeil. 

«Tun Sie es nicht, Herr Merz»

Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck appellierte via Instagram an seinen Konkurrenten von der Union: «Tun Sie es nicht, Herr Merz.» Habeck sprach von einem «Scheideweg in der politischen Kultur unseres Landes». Die Union begäbe sich in die Fänge der AfD. «Dieses Verhalten jetzt macht Europa kaputt.» 

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: «Dass Friedrich Merz just in Zeiten, in denen Europa eigentlich zusammenstehen muss, unsere europäischen Nachbarn vor den Kopf stößt, schadet Deutschland massiv.» 

AfD-Chefin Alice Weidel sieht sich hingegen mit der Union auf einer Linie. Sie sagte in der ZDF-Sendung «Wie geht's, Deutschland?», der Antrag mit fünf Punkten sei «von der AfD abgeschrieben» und enthalte Forderungen, die ihre Partei bereits seit Jahren vorgebracht habe. 

Rückendeckung für Merz' Vorgehen - Keine Zusammenarbeit mit AfD

Die Vize-Chefin der CDU, Karin Prien, verteidigte ihren Parteichef hingegen. «Ich stehe in der Sache an der Seite von Friedrich Merz», sagte Prien, die dem liberalen Lager der Partei angehört, dem «Stern». «Nur wenn eine Mitte-Rechts-Partei wie die CDU das Migrations-Problem in Deutschland gelöst bekommt, kann das die Erosion unserer Demokratie und den Aufstieg radikaler Kräfte noch abwenden», sagte sie. 

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte der «Rheinischen Post», das Land brauche eine «Kehrtwende in der Migrationspolitik» und vor allem einen Stopp der illegalen Migration. Er betonte zugleich: «Ich werde nicht eine Sekunde mit der AfD oder ihren Verantwortlichen zusammenarbeiten. Sonst bin ich nicht mehr hier. Das gilt auch für Friedrich Merz.» 

CSU-Chef Markus Söder verteidigte ebenfalls Merz? Kurs und das Vorgehen der Union gegen Kritik, für eine Mehrheit Stimmen der AfD in Kauf zu nehmen. Es gehe im Bundestag nun um eine sachlich gebotene Entscheidung. «Es ist auch keine Zusammenarbeit, deswegen wird auch keine Brandmauer fallen», sagte der bayerische Ministerpräsident in der ARD-Sendung «Maischberger».

© dpa-infocom, dpa:250129-930-358571/1

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