Kurz vor der Bundestagswahl eskaliert die seit Jahren schwelende Auseinandersetzung um den richtigen Kurs in der Migrationspolitik erneut. Auslöser sind mehrere tödliche Attacken, zuletzt in Aschaffenburg, bei denen die Tatverdächtigen Zuwanderer sind. Die wichtigsten Fragen und Antworten: Die Union will diese Woche zwei Anträge und einen Gesetzentwurf im Bundestag zur Abstimmung stellen. In den Anträgen geht es unter anderem um eine generelle Zurückweisung aller Asylsuchenden an den deutschen Grenzen sowie eine dauerhafte Inhaftierung von Ausreisepflichtigen, die nicht abgeschoben werden können und nicht freiwillig ausreisen. Eingebürgerte Doppelstaatler, die schwere Straftaten verüben, sollen die deutsche Staatsangehörigkeit wieder verlieren können. Der Entwurf für ein «Gesetz zur Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland» soll den Familiennachzug zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus beenden. Die Bundespolizei soll, wenn sie in ihrem Zuständigkeitsbereich Ausreisepflichtige antrifft, aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchführen dürfen. Die SPD dringt ihrerseits auf eine Abstimmung über die längst überfällige Reform des Bundespolizeigesetzes. Außerdem will sie erstmals die nationale Umsetzung der EU-Asylreform und eine Reihe von zusätzlichen Befugnissen für die Sicherheitsbehörden auf die Tagesordnung setzen. Auch die Grünen haben jetzt noch einmal dringend dafür geworben, die Voraussetzung für das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) zu schaffen. Es sieht unter anderem Asylverfahren für Menschen aus Staaten mit niedriger Schutzquote an den EU-Außengrenzen vor. Notwendig ist in jedem Fall eine einfache Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Das heißt, es müssten mehr Ja- als Nein-Stimmen abgegeben werden. Enthaltungen werden dabei nicht gezählt. Die Union beabsichtigt nach Angaben aus Fraktionskreisen, eine Sofortabstimmung über ihre Anträge zu beantragen. Auch dafür reicht eine einfache Mehrheit. Auf Stimmen von FDP und BSW kann sie dabei wohl zählen. Die AfD-Fraktion tut sich mit einer Zustimmung zu den Anträgen schwer, weil diese auch Kritik an ihrer Partei enthalten. Das «Zustrombegrenzungsgesetz» will sie aber in jedem Fall unterstützen. Wie sie sich zu den Anträgen verhält, will sie kurzfristig entscheiden, wenn die Dokumente offiziell vorliegen. Sollte es bei CDU/CSU, FDP, AfD und BSW keine Abgeordneten geben, die sich enthalten, dagegen stimmen oder nicht anwesend sind, kämen sie zusammen auf 372 Stimmen. Der Bundestag hat aktuell 733 Abgeordnete. Das würde also reichen. Sollten nicht alle Abgeordneten dieser Parteien mit Ja stimmen, käme es womöglich auf das Abstimmungsverhalten der neun Fraktionslosen an. Die meisten von ihnen gehörten früher der AfD-Fraktion an. Die Initiativen der SPD dürften vermutlich keine Mehrheit finden. Das ist möglich, wenngleich nicht sehr wahrscheinlich. Denn die Anträge, die nach dem Willen der Union am Mittwoch auf der Tagesordnung stehen sollen, haben lediglich appellativen Charakter. Anders ist es mit dem Gesetzentwurf, mit dem sich der Innenausschuss im November befasst hatte und der nach bisheriger Planung am Freitag abschließend im Plenum beraten werden könnte. Da der Entwurf vorsieht, die Kompetenzen der Bundespolizei auszuweiten und das die Interessen der Länder berührt, müsste der Bundesrat zustimmen. Ob dies geschieht, ist zumindest fraglich. In schwarz-grünen Landesregierungen dürfte es in jedem Fall Diskussionen auslösen. Ja. Und zwar vor allem gegen einige Punkte, die in den beiden Anträgen enthalten sind - etwa die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft und generelle Zurückweisungen. Allerdings gibt es unter Fachleuten zu beiden Fragen unterschiedliche Meinungen. Bei den Zurückweisungen setzt die Union womöglich aber auch auf die Macht des Faktischen. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung könnte entsprechende Maßnahmen erst einmal umsetzen und dann schauen, ob eine etwaige Klage dagegen vor einem Verwaltungsgericht beziehungsweise dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Erfolg hat. Wenn der Bundesrat zustimmen sollte, ja. Der Bundesrat dürfte allerdings - wenn keine Fristverkürzung beschlossen wird - erst nach der Bundestagswahl über den Entwurf entscheiden. Dann müsste der Bundespräsident das Gesetz noch unterzeichnen. Entscheidend ist die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt. Da nach der Wahl erst einmal Sondierungen und Koalitionsverhandlungen anstehen, könnte es theoretisch sein, dass die rot-grüne Regierung dann noch als amtierende Bundesregierung handeln müsste. Das ist noch offen. Umfragen zeigen, dass viele Bürgerinnen und Bürger die Migrationspolitik aktuell als Problemfeld begreifen. Dass die Union jetzt hier noch einmal den Druck erhöht, mag - ebenso wie der Inhalt ihrer Vorschläge - einigen Wählern gefallen. Jedoch könnte die Ansage ihres Kanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU), die eigenen Vorstellungen notfalls auch mit Stimmen von AfD und BSW durchzusetzen, andere Wähler verschrecken. Die Grünen glauben, Merz sei hier in eine Falle getappt, die ihm die AfD-Vorsitzende Alice Weidel gestellt habe - mit dem Ziel, den Anschein zu erwecken, die AfD sei nicht radikal, sondern eine rechtskonservative Partei und somit Teil des demokratischen Spektrums. Die Gewalttaten von Mannheim, Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg zeigen, dass es Handlungsbedarf gibt - bei Abschiebungen und der Überstellung von Asylbewerbern in das für ihren Antrag zuständige EU-Land. Aber auch, wenn es darum geht, Ausländer, die durch Drohungen beziehungsweise Gewalttaten auffallen, nicht aus dem Blick zu verlieren. In einer Videokonferenz haben die Innenminister von Bund und Ländern am Montag Konsequenzen im Umgang mit psychisch kranken Straftätern in Aussicht gestellt. Mutmaßliche Täter müssten frühzeitig erkannt und Informationen unter den Behörden besser ausgetauscht werden, sagte hinterher Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), der aktuell Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK) ist. Auch der Innenausschuss des Bundestages beschäftigt sich an diesem Mittwoch zum wiederholten Mal mit der Frage, wie sichergestellt werden kann, dass potenzielle Gewalttäter ohne deutschen Pass rechtzeitig aus dem Verkehr gezogen beziehungsweise außer Landes gebracht werden können.Welche Vorschläge liegen auf dem Tisch?
Wer könnte den einzelnen Vorschlägen zustimmen?
Würde sich auch praktisch etwas ändern?
Gibt es rechtliche Bedenken?
Müsste die jetzige Bundesregierung das Gesetz umsetzen?
Wem nutzt die aktuelle Debatte im Wahlkampf?
Was tun die zuständigen Innenminister von Bund und Ländern?
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