Wenn Jahre später bezahlt werden muss: Rückforderungen von Corona-Soforthilfen sorgen im Friseurhandwerk in Rheinland-Pfalz für viel Unmut. Solche von der Förderbank ISB verschickte Forderungen stießen in der Branche auf großes Unverständnis, berichtet der Hauptgeschäftsführer des Landesverbandes Friseure und Kosmetik Rheinland, Dirk Kleis, in Prüm. Eine gewisse Kulanz würde sich der Bund der Selbstständigen im Land wünschen. Die oppositionelle CDU-Fraktion hat das Thema ebenfalls für sich entdeckt und verweist auf in Bayern. Rückblick: Im Corona-Frühjahr 2020 konnten im Rahmen der Corona-Soforthilfe Solo-Selbstständige, Freiberufler und Unternehmen mit bis zu fünf Vollzeitstellen über ein Bundesprogramm bis zu 9000 Euro erhalten, um ihren akuten Liquiditätsbedarf für drei Monate abzudecken. Bestimmte Unternehmen konnten bis zu 15.000 Euro bekommen. Wie das Wirtschaftsministerium in Mainz auf Anfrage erklärte, wurde seinerzeit Geld aufgrund von Prognosen der Antragsteller hinsichtlich des erwarteten Liquiditätsengpasses ausgezahlt. Zunächst sei ein verpflichtendes Rückmeldeverfahren zum tatsächlich eingetretenen Liquiditätsengpasses vom Bund nicht vorgesehen gewesen, erklärt das Ministerium in Mainz. Dann hätten stichprobenartige Prüfungen gezeigt, dass bei mindestens 30 Prozent der aus Bundesmitteln gewährten Soforthilfen die erwarteten die eingetretenen Liquiditätsengpässe überschritten hätten. Letztlich wurde nach den Maßgaben zu viel Unterstützung gewährt. Demnach seien bundesweit bis zu 3,9 Milliarden Euro an Soforthilfen ausgezahlt worden, obwohl bei den Beziehern kein oder nur ein geringer Liquiditätsengpass vorgelegen habe, schildert das rheinland-pfälzische Ministerium. Daher müsse nun ? auf Drängen des Bundesrechnungshofs und der Bundesregierung ? bei allen Antragstellenden der Liquiditätsengpass im Nachhinein noch einmal überprüft werden. In Rheinland-Pfalz wird demnach seit der zweiten Jahreshälfte 2023 sukzessive bei allen Beziehern von Corona-Soforthilfe der Liquiditätsengpass in Form einer Selbstauskunft überprüft. Gegebenenfalls muss zu viel erhaltene Soforthilfe zurückgezahlt werden. Das ist auch beim Bund der Selbstständigen Rheinland-Pfalz und Saarland ein Thema, wie Präsidentin Liliana Gatterer sagt. Einige Mitglieder hätten sich damals ganz gegen einen Antrag auf Hilfe entschieden, weil sie schon befürchtet hätten, später Geld zurückzahlen zu müssen. Einige hätten sich auf anderen Wegen Geld besorgt, über Kredite oder indem sie eigentlich für die Rente gedachte Fonds aufgelöst hätten. Wenn nun über Rückforderungen gesprochen werde, dürfe nicht vergessen werden, dass die Pandemie nicht vorherzusehen gewesen sei, Selbstständige und Unternehmer unverschuldet in Turbulenzen geraten seien. Mittlerweile sage auch der Staat selbst, dass so manche Maßnahme im Kampf gegen das Virus zu hart gewesen sei, sagt Gatterer. Sie wünsche sich eine gewisse Kulanz bei kleineren Empfängern, auch als Zeichen des guten Willens. Kleis vom Landesverband Friseure und Kosmetik Rheinland sagt, die damaligen Hilfen hätten die besondere Situation im Friseurhandwerk nicht berücksichtigt. Den Salons sei nicht nur in den Lockdown-Phasen die betriebliche Tätigkeit untersagt worden, in den Phasen dazwischen seien ihn außerdem unter anderem sehr hohe Hygieneanforderungen zugemutet worden. «Die jetzt durch die ISB verschickten Rückzahlungsforderungen stoßen in der Branche auf ein großes Unverständnis und entsprechen auch nicht vielen politischen Aussagen der Vergangenheit», kritisiert Kleis. Die wirtschaftliche Situation sei in vielen Salons sehr angespannt - aufgrund der Folgen der Corona-Pandemie, während der häufig Rücklagen aufgebraucht worden seien und wegen erheblich gestiegener Kosten für Energie und Personal. «Es herrscht eine schlechte Stimmung im Friseurhandwerk.» Auch der rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Gordon Schnieder befürchtet, dass Rückforderungen so manchen Empfänger empfindlich treffen können und ist für eine gewisse Zurückhaltung bei Forderungen gegenüber bestimmten Personengruppen. Soloselbstständige, Kleinunternehmer, Friseure oder Kosmetiker könnten sonst vor existenzielle Probleme gestellt werden, für so manchen gehe es ans Eingemachte. «Unter den Soloselbstständigen sind vor allem auch viele Frauen», sagt Schnieder. Es müsse noch mal nachgedacht werden, wie mit möglichen Rückforderungen umgegangen werde. Bayern etwa habe unter bestimmten Umständen Rückzahlungen bei einer Existenzbedrohung ausgeschlossen. «Es gibt also Wege, die auch Rheinland-Pfalz einschlagen könnte.» Konkret sah es in Bayern mit Blick auf kleine Gewerbetreibende wie Friseure oder Soloselbstständige so aus, dass im Fall einer Existenzbedrohung der Erlass einer Rückzahlung möglich war - nach einem entsprechenden Antrag. Nichts zurückzahlen musste dann, wer als Alleinstehender bis zu 25.000 oder ansonsten 30.000 Euro nach Steuern verdient. Das Wirtschaftsministerium in München teilt auf Anfrage mit, das Rückmeldeverfahren zur Corona-Soforthilfe im Freistaat sei seit dem Herbst vergangenen Jahres abgeschlossen. Vom Wirtschaftsministerium in Mainz heißt es, bei Rückforderungsbescheiden werde sich die ISB kulant zeigen und auf Antrag Ratenzahlungen ermöglichen. Auch gebe es eine Bagatellgrenze von 250 Euro. Sofern eine Rückzahlung von Soforthilfe einen Betrieb in seiner Existenz gefährde, solle Kontakt zur ISB aufgenommen werden. Auf eine Rückzahlung verzichtet werden könne allerdings nur in ganz wenigen Ausnahmefällen. Laut ISB wurden mit Stand 14. Januar von rund 4.000 Empfängern etwa 33 Millionen Euro zurückgefordert.Erst war keine Prüfung vorgesehen
Bund der Selbstständigen: Pandemie war nicht absehbar
Großes Unverständnis bei Friseuren
Ratenzahlungen in Rheinland-Pfalz möglich
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